Leseprobe aus „Wie ein Vogel auf einem Zaun“
Ich arbeite zur Zeit an einer Reportage meiner Erinnerungen an Kindheit und Jugend von 1947 bis 1963 am Hohenpeißenberg im oberbayerischen Alpenvorland. Nach 260 Seiten bin ich nun im Jahr 1960 angelangt.
Damals kam ich im Sommer 1960 zum ersten Mal in meinem Leben nach München.
München leuchtet 1960
Information, Dokumentation, Computer, Kommunikation
Computer hieß 1979 „EDV“ und Elektronische Datenverarbeitung war noch klobig. Es roch zwar nicht nach Maschinenöl, dennoch trugen die Wärter der Magnetbandmaschinen weiße Arbeitskittel. Eher wie Ärzte. Die Wissenschaft der Informationsgewinnung, -verarbeitung, digitaler Abspeicherung und -aufbereitung zur Rückgewinnung der gespeicherten Information, ist eine ganz eigene und sowohl Hardware wie auch Software standen damals am Anfang der Entwicklung. Der Persönlich Computer den IBM lieferte noch in Entwicklung. Es gab BASIC und etwas später MS DOS. Die Netzwerke die sich bis Ende 1982 in der deutschen Wissenschaftslandschaft gebildet hatten breiteten sich aus, Datenübertragung war möglich selbst über Akustikkoppler und Ausdruck über Nadeldrucker. Über den Stand zum Jahresende 1982 hab ich einen Bericht erstellt, der Teil der Prüfung eines Jahreslehrgangs zum Wissenschaftlichen Dokumentar war. Einer Art fachlich bestätigter Befähigung für entsprechende Verwendung in den verschiedensten Bereichen.
Neuland 1982 LID
Das Grüne Buch
Nach bestandenem Examen im Dezember 1982 nunmehr zum wissenschaftlichen Dokumentar avanciert, erhielt ich jedoch keine Stelle im Stellenplan des Instituts, sondern ein Angebot die dortige Literaturdatenbank zu nutzen um einen Information Guide zum Fachgebiet Internationale Beziehungen und Länderkunde zu erstellen, der sowohl gedruckt und später als CD veröffentlicht werden sollte. Eine Förderung durch eine namhafte Stiftung wurde in Aussicht gestellt und ein Honorar vereinbart. Mein Arbeitsplatz war ein Büro im ersten Stock des B-Baus des Stiftungsgebäudes von Schloß Eggenberg bei Ebenhausen mit zwei Schreibtischen, Telefon, IBM Kugelkopf Schreibmaschine und Computer Terminals zur Datenerfassung in den Nachbarräumen. Kein Alpenblick, aber auf die Ostauffahrt und das Walmdach des Dittmann Hauses.
Dort habe ich fast fünf Jahre verbracht, um ein Projekt zu realisieren dessen Ergebnisse durch die Ereignisse der neunziger Jahre bald an Aktualität verloren und wenige Jahre später durch das Internet und den damit verbundenen relationalen Sortier- und Suchmaschinen in wenigen Jahren überflüssig wurden.
Der Aufwand war beachtlich und die Ergebnisse für den damaligen Stand der digitalisierten Dokumentation überraschend.
. Die gedruckte Auflage lag bei neun Hundert Exemplaren. Der Ladenpreis lag bei 39 DM. Ende 1990 wurden 356 davon verkauft. Ein Orchideenbuch. Eine CD konnte nicht erstellt werden, weil die entprechende software damals nicht existierte.
Dennoch waren die Auswirkungen auf Betrieb und Wartung der Datenbank, insbesondere die Entwicklung neuer Druckprodukte nachhaltig.
2664 Dokumente sind auf 570 Seiten nicht nur nachgewiesen, häufig auch die Inhalte durch kurz referiert.
Register zu 2100 Autoren, 1100 Institutionen, 3000 Titel und 1200 Sachbegriffe erleichtern die alphabetische Suche.
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Ganz ohne Tränensäcke vor 32 Jahren
Wie ich meine erste bösartige Schreibhemmung überwand
Im Mai 1987 hatte die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Ebenhausen/Isartal keine weitere Verwendung für mich. Mein lieber Kollege Joachim Held machte mich auf ein Stellenangebot in der Zeit aufmerksam: Darin wurde jemand von einem Forschungsinstitut für Friedenspolitik (FF) in Starnberg gesucht, um eine Datenbank für den „Militarisierungsatlas der Bundesrepublik Deutschland“ weiter zu entwickeln.
Im Gehalt ein Abstieg, aber mit Blick auf die Zukunft der wissenschaftlichen Datenverarbeitung ein Schritt vorwärts. Der Direktor des Instituts, Oberstleutnant Dr. Alfred Mechtersheimer heuerte mich, den Ungedienten nach Vorstellungsgespräch und einem leckeren Mittagessen im Biergarten des Gasthaus in der Au mit Handschlag an und der Vorstand winkte meinen Anstellungsvertrag während seiner nächsten Sitzung durch. Mechtersheimer drängte mich nach kurzer Zeit einen Beitrag über die SWP für die Monatszeitschrift „Mediatus“ des FF zu schreiben. Da ich mit anderen Arbeiten mehr als ausgelastet war, konnte ich ihn längere Zeit hinhalten. Das änderte sich nachdem das Projekt „Rüstung in Weiss-Blau“, das unter Erich Schmidt-Eenboom und Jo Angerer im März 1988 abgeschlossen war und in Druck ging.
Rüstung in Weiß-Blau IHV
Jetzt musste ich liefern und es fiel mir schwer einen Text über meinen vorherigen Arbeitgeber zu schreiben ohne den Corpsgeist der SWP zu verletzen. Der Direktor der SWP, Prof. Klaus Ritter, hatte mich ein Jahr vor seiner Emeritierung, als er von meinem Wechsel nach Starnberg erfuhr, in sein Chefzimmer gerufen, um mich unter vier Augen vor meinem künftigen Chef zu warnen. Er warnte mich davor, das mühsam und „hart“ erworbene Wissen nicht wie dieser für zweifelhafte Zwecke einzusetzen. Erst Monate nach meinem Abgang gelang es mir endlich einen Text zu schreiben, den weder die 6000 Mitglieder des FF, noch Alfred Mechtersheimer noch Klaus Ritter kritisierten, sondern lobten. Mein diplomatischer Erfolg war jedoch nicht von Dauer. Mechtersheimer, seit 1987 Bundestagsabgeordneter für DIE GRÜNEN und Mitglied des Verteidigungsausschusses, hatte nichts Größeres vor als Deutschland von allen ausländischen Truppen zu befreien und wollte dazu Finanzmittel nutzen, die ihm die libysche Regierung über eine Stiftung in Lichtenstein zukommen ließ. – Aber das ist eine andere Geschichte und zwar die von Kurt Kister, dem inzwischen gleichberechtigten Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung und von Erich Schmidt-Eenboom, der Alfred Mechtersheimer als Vorstandsvorsitzender und Direktor beerbt hat.
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Als PageMaker die Tore der Presse- und Druckfreiheit erweiterte,
machte es Rainer Rilling möglich, dass im fernen Marburg die Texte für die Zeitschrift „Wissenschaft und Frieden“ von Floppydisc auf Computer geladen werden konnten und dort seit nun über 30 Jahren abrufbereit sind. Von wegen Neuland! In Deutschland gab es ab 1990 das Deutsche Wissenschaftsnetz, das Hochschulen, Fachhochschulen, Großforschungseinrichtungen, Bibliotheken sowie weitere öffentliche Einrichtungen verband. Auch ausgewählte Unternehmen aus dem IT-Bereich konnten sich (zu höheren Preisen) am Netz beteiligen.
Hier die Volltexte online direkt
Dossier Nr. 5_ Burkhardt J. Huck _ Die Fusion von Daimler Benz und MBB (in 1989-4)
Burkhardt J. Huck _ Bundeswehrplanung zwischen Umrüstung und Abrüstung (in 1990-2)
Dossier Nr. 7 : Paul Schaefer, Burkhardt J. Huck, Peter Barth, Olaf Achilles, Kristina Steenbock : Abrüstung und Konversion – Eine Problemskizze (in 1990-3)
Dossier Nr. 7_ Paul Schäfer & Burkhardt J. Huck & Peter Barth & Olaf Achilles & Kristina Steenbock _ Abrüstung und Konversion_ Eine Problemskizze (in 1990-3)
Burkhardt J. Huck _ Zur Zukunft der Rüstung (in 1991-3)
Burkhardt J. Huck _ Rüstung und Rüstungskontrolle im Nahen Osten (in 1992-2)Nachdem Dr. Alfred Mechtersheimer versuchte mich im Januar 1989 ebenso schnell zu feuern, wie er mich zwei Jahre zuvor geheuert hatte, konnte ich mit ihm mit freundlicher Unterstützung durch Dr. Peter Barth einen Kompromiss aushandeln: Die Projekte, die ich in Kooperation mit dem Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr (SoWi), dem Institut für Medienforschung und Urbanistik (IMU), beide in München, der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf (ILO) und der Volkswagen Stiftung (VWS) ausgehandelt hatte, konnten in die Trägerschaft des IMU und die Finanzierung von VWS übernommen werden. Dr. Lutz Köllner, wissenschaftlicher Direktor am SoWi wird die wissenschaftliche Leitung des neuen Projekts „Abrüstung und Konversion in der Bundesrepublik Deutschland“, ich das Management und IMU die Kostenstelle übernehmen. Meine Kündigung am FF erfolgte zum Quartalsende, die Projektergebnisse des Projekts zur „Rüstungsindustrie und Rüstungskonversion in der Region München“ wurden durch meinen Freund Adalbert Hepp vom Campus Verlag im Juli 1989 veröffentlicht. Trotz unserer politischen Unstimmigkeiten hat sich Alfred Mechtersheimer mit einem Vorwort beteiligt und saß auch bei der Präsentation mit Podiumsdiskussion im Haus der Gewerkschaft in der Schwanthaler Strasse in München auf dem Podium.
Eine verkürzte Fassung konnte ich in einem Sammelband der ILO in englischer Übersetzung unterbringen.
Unter Leitung von Dr. Lutz Köllner, Finanzwissenschaftler und Direktor am Sozialwissenschaflichen Institut der Bundeswehr und Gerhard Richter vom Institut für Medienforschung und Urbanistik in München, förderte die Stiftung Volkswagenwerk das Projekt „Abrüstung und Konversion in der Bundesrepublik Deutschland“ mit einigen hunderttausend DM. Das Projekt wurde von mir initiiert und nach zwei Jahren abgeschlossen.
Mit dem Fall der Mauer und vor allem nach dem Sturm auf die Gebäude des Staatssicherheitsdienstes der DDR, der meine westdeutschen Überwacher nun endlich überzeugte, dass ich nicht wie vermutet für die DDR spioniert habe, begann sich meine Schreibhemmung aufzulösen wie ein Frühjahrsschnupfen im Mai: Ich fühlte mich endlich befreit vom Kalten Krieg und seinen informellen Mitarbeitern auf beiden Seiten. Die Veröffentlichung der Ergebnisse des Projekts „Abrüstung und Konversion. Politische Voraussetzungen und wirtschaftliche Folgen in der Bundesrepublik“, an dem ich mit Lutz Köllner zwei Jahre arbeiten durfte, erfolgte durch den Campus Verlag rechtzeitig zum Tag der Deutschen Einheit im Herbst 1990. Ich dachte ich hätte meine Schreibhemmung hinter mir gelassen, musste aber wenig später erfahren, dass es mit der Schreibhemmung ist wie mit Malaria: Sie kommt immer wieder, wenn dunkle Kräfte nach Kontrolle drängen. Vorerst konnte ich noch die Ergebnisse meiner Berechnungen zur Konversion in Deutschland in einer britischen Fachzeitschrift veröffentlichen. Das war für mich eine neue Erfahrung, denn Brassey’s „Defence Analysis“ publiziert keinen Beitrag ohne ihn in einem gründlichen Review Prozess von drei Fachleuten unabhängig von einander prüfen zu lassen.
Köllner-Huck AuK 1990 Campus IHV
Stavanger Mai 1992
Nun öffnete sich auch das Tor zur Welt: Das Ende des Kalten Krieges hatte globale Folgen. Abrüstung führte nicht zur Entrüstung, sondern zu einer Restrukturierung der weltweiten Rüstungsindustrie und ihrer Märkte, auf denen die Entwicklungsländer nur marginal präsent waren. Über die damalige Lage habe ich auf einer Konferenz der UNO im CC Hongkong rapportiert.
Hong Kong 01
Nach dieser Konferenz wurde selbst die NATO auf mich aufmerksam. Seit einer ersten informellen Konferenz im Mai 1992 hatte sie sich unter der Initiative des Economic Committee entschlossen das Thema Konversion zu thematisieren. Das deutsche Wirtschaftsministerium sollte Gutachter benennen, mein Name fiel und kurz darauf sollte ich einen Text zur Friedensdividende in Deutschland in Englisch vorlegen, eine Sicherheitsüberprüfung über mich ergehen lassen, nach Brüssel fliegen und den Text als Mitglied der deutschen Delegation während einer Konferenz im NATO Hauptquartier vortragen. Eine britische Fachzeitschrift hat diesen Text, nach einem gründlichen peer review acht Monte später veröffentlicht.
BJ-NATO-Peace-dividend-1994