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Alter Mann, was nun?

 

Das war die Frage, die sich mir stellte, als ich vor fünf Jahren vom Südkap zurück nach Deutschland kam. Die wundervolle kleine Cottage mit Pool unter Palmen, die ich im Januar 2002 in einem Marktflecken zwischen Kapstadt und George günstig erwerben konnte, wurde gut verkauft. Der erneute Verlust von Heimat und Freunden war schmerzlich, aber die Aussicht künftig wieder sechs nasse Monate in der Dunkelheit des nördlichen Winters meist in geheizten und künstlich beleuchteten Räumen zu verbringen bedrückender.

 

 

Das wichtigste Ereignis das zu meiner Entscheidung geführt hat, über 13 Jahre in Südafrika zu leben, war der Tod meiner Gefährtin Giséle Schrama Anfang 1992 und mein Gelöbnis ihre Asche am Kap der Guten Hoffnung ins Meer zu streuen.
Mit ihr war ich 1974 aus Belgien ins Isartal südlich von München gezogen, wo wir ein kleines Bauernhaus am Rande eines Dorfes fanden, das uns freundlich aufnahm. Ab 1984 lebten wir in einer Doppelhaushälfte umgeben von Weiden und Feldern nahe der Kreisstadt. Die meisten der Nachbarn ringsum eilten jeden Morgen an ihre Arbeitsstätten, die damals noch oft die einzige zweite Heimat waren.
Giséle arbeitete seit 1975 als Fremdsprachensekretärin bei einem Unternehmen mit etwa zweihundert Mitarbeitern, das sich auf Schraub- und Nietautomaten spezialisiert hatte, stark exportorientiert war und damals seinen Standort im Wolfratshauser Stadteil Farchet hatte. Ich hatte damals Anstellung bei der Stiftung Wissenschaft und Politik gefunden, im nahen Ebenhausen auf den Isarhöhen Richtung München gelegen und in einer Villa aus der Gründerzeit sowie einem Ensemble moderner Anbauten in einem Park mit Springbrunnen und Treppenanlage untergebracht. Das war meine dritte Heimat: Ein Forschungsinstitut für Internationale Sicherheit und Politik mit etwa hundertsechzig internen Mitarbeitern, davon die Hälfte mit Hochschulabschluss.

 

Die Zahl der Mitarbeiter entsprach etwa der Zahl der Zöglinge des Missionsseminar des Klosters St. Ottilien. Am  humanistischen Gymnasium fand ich von 1957 bis 1960 meine zweite Heimat bevor ich in meine erste Heimat am Hohenpeißenberg zurückkehrte. Damals wusste ich nicht, dass ich ersten beiden Jahre nicht im Hauptkloster, sondern in einer Zweigstelle in Dillingen an der Donau verbringen würde.

 

 

Erst im September 1959 konnte ich in das Hauptkloster einkehren, das ich durch einige vorherige Besuche aus Dillingen etwas näher kennengelernt hatte. 

 

 
Im Jahre 1884 gründete der Beuroner Benediktiner P. Andreas Amrhein im oberpfälzischen Reichenbach eine Gemeinschaft, die nach mittelalterlichem Vorbild das traditionelle benediktinische Leben mit der Missionstätigkeit verbinden wollte. Reichenbach war geographisch wenig günstig und da überdies der Bischof von Regensburg Amrhein bekämpfte, wurde die Gründung 1887 nach Emming in Oberbayern verlegt. Der alte Weiler besaß eine kleine Kapelle, die der hl. Ottilia geweiht ist, so dass der Name des Klosters sofort feststand: St. Ottilien. Im gleichen Jahr wurde die erste Missionarsgruppe nach Ostafrika ausgesandt. Bis heute ist St. Ottiliens größte Aufgabe die Unterstützung junger Kirchen im Aufbau und die Mithilfe bei der Einpflanzung benediktinischen Klosterlebens in überseeischen Ländern.

Im Seminargebäude außerhalb der Klostermauern fand ich Unterkunft in einem Schlafsaal für die sechzig Schüler der dritten bis fünften Klasse und bekam ein Klapppult im Studiersaal zugeteilt, das ich wie auch den Spind im Gang abschließen konnte.
Meine Anwesenheit dort dauerte nicht länger als die Schwangerschaft meiner Mutter, die am 21. März 1960 meinen fünften Bruder zur Welt brachte. Ich hatte zwar genügend rote Vermerke im Klassenbuch, aber dass meine geschiedene vom Protestantismus zu  Katholizismus übergetretene Mutter sich mit einem ebenso vorbelastetem zweiten Mann auch noch standesamtlich vermählen und ihren Sohn katholisch taufen ließ ging dem Regens des Missionsseminar, Pater Bernward Zint OSB doch zu weit.

 

 

Zudem war bekannt geworden, dass ich mich weiterhin berufen fühlte die Lehre Jesus zu verbreiten jedoch nicht bereit war, den Rahmen dieser Lehre nach den Regeln des Katechismus einzugrenzen. Er teilte mir die Kündigung am Fronleichnamstag des Jahres 1960 zigarettenrauchend unter einem Portrait von Papst Pius XII sitzend mit, griff zum Telefon und teilte meiner Mutter mit, dass sie kommen kann, um mich abzuholen. Drei Stunden später erlebte ich einen Heimatverlust, der alle bisherigen bei weitem übertraf.

 

 

Die Reintegration in mein Heimatdorf in das ich nun ohne Studium, Priesterweihe und einer Existenz als Missionar in Afrika zurückkehren musste, war schmerzlich aber produktiv. Meine Brüder freuten sich über meine Rückkehr, ich fand neue Freunde am Gymnasium Weilheim, aber die meisten davon verschwanden wie meine Freunde in Hohenpeißenberg, nachdem ich im Herbst 1963 von meinen Eltern nach Ebenhausen im Isartal verschleppt wurde und in München das humanistische Theresien-Gymnasium besuchen musste.

 

 

Aber dort wie auch in Ebenhausen-Icking fand ich neue Freunde. Nach dem Abitur in München, als die meisten meines Jahrgangs zum Wehrdienst einrückten und ich als einer der wenigen „beschränkt tauglichen“ zum Studium antrat, fand ich mich an einem bisher unbekannten Ort der Heimatlosigkeit.
Die Universität München, war damals noch keine Massenuniversität. Nur 16% eines Jahrgangs wurden 1967 immatrikuliert, dennoch war der Andrang gewaltig, Vorlesungsräume, Mensa und Bibliothek oft überfüllt. Die Orientierung  ohne Freunde oder die Unterstützung meiner Familie fiel mir schwer, bis meine Füße Halt  und einen gütigen Professor fanden, der mich als Hilfskraft mit einem kleinen Salär an seinem Lehrstuhl  beschäftigte. Ich fand Unterkunft in Schwabing bei einem ebenso jungen Mitarbeiter, dessen Mutter vor wenigen Monaten beim Bergsteigen abgestürzt und gestorben war.

 

 

Er war froh, dass ich bei ihm einzog und mich an der Miete beteiligte. Wir waren jung, gesund, talentiert und arbeiteten beide bei dem gütigen und mit vierzig Jahren für die damalige Zeit noch jungen und erfolgreichen Ordinarius. Das alles zu einer Zeit als in den späten sechziger Jahren Schwabing zu einem Brennpunkt der neuen Jugendkultur und einer Studentenbewegung wurde, die sich nicht auf die Forderung nach Drittelparität in den Hochschulgremien beschränkte, sondern auch gesellschaftliche Reformen anmahnte und zur APO = außerparlamentarischen Opposition mutierte.

 

 

In den acht Semestern meines Studiums von Sommer 1967 bis zum Winter 1970 hatte ich ausreichend Seminarscheine erarbeitet und konnte meine Doktorarbeit vorbereiten. 
Doch da geschah etwas seltsames: Ich stellte fest, dass ich seit 1953 die Schul-, Kirchen- und Universitätsbänke gedrückt hatte:
Siebzehn Jahre lang nach strengen Regeln aufgewacht, den Tag verbracht und zeitig ins Bett gegangen. Ständig beaufsichtigt, jede freie Wahl geprüft, ob dem Fortschritt zum Erwachsenwerden und einer entsprechenden Karriere förderlich. Nach dem Ende des Wintersemesters 1971 entschied ich meine Freiheit in einem freien akademischen Jahr zu nutzen, um meinen verkrümmten Horizont zu erweitern.
Auf meinen Reisen durch Westeuropa und einem längeren Aufenthalt in Spanien fand ich in Belgien in Giséle Schrama eine Gefährtin, die mich liebte und bereit war mit mir zusammen zu leben. Auch deshalb zog es mich zurück an die Münchner Universität. Nun war ich bereit zu erdulden, was ich zehn Jahren fürchtete: Eine Karriere als Wissenschaftler und Schreibtischtäter mit EDV-Unterstützung in einer meiner früheren Heimaten: In Ebenhausen im Isartal. Ab 1979 als externer  und zwei Jahre später nach Postgraduate Kursen als interner Mitarbeiter nach BAT II und später BAT I bezahlt.
Das Glück dauerte zwanzig Jahre. Im Februar 1992 starb Giséle, viele Kollegen taten in den Folgejahren dasselbe und schließlich verschwand im Januar 2001 das famose Institut und seine gesamte Belegschaft aus Ebenhausen. Die Mehrheit ging mit nach Berlin, andere blieben. Einige arbeitslos, andere fanden eine andere Anstellung.

Ich, inzwischen wegen eines Herzfehlers schwerbehindert und von Todesdrohungen von Fachärzten umnebelt, konnte mich für eine Abfindung entscheiden, die damals steuerfrei war. Davon habe ich mir ein Jahr später ein Haus in Western Cape, nahe der Klein Karoo, einer Halbwüste etwa 260 km östlich von Kapstadt in einem Marktflecken an der Route 62 gekauft und renoviert.
Ein Jahr später habe ich in Deining bei München geheiratet und bin mit der Bildhauerin Beate Schubert-Huck in unsere neue Heimat in einem ihr unbekannten Land gezogen. Sie ist acht Jahre später nach München zurückgekehrt. Nach zwei weiteren Jahren kam sie zu Besuch und präsentiert mir Scheidungspapiere, die ich willenlos abzeichnete.

 

 

Nach zwei weiteren und fast achtundzwanzig  Jahren Verbundenheit mit Südafrika und zum zehnten Mal in meinem Leben stellte sich erneut die Frage nach der künftigen Heimat.

Wohin in Deutschland? Zurück an die Alpen, in den Süden? War das eigentlich Heimat? Weil meine Vorfahren dort Station gemacht haben und ich dort geboren wurde? Es war mein Großvater, der den Hohenpeißenberg 1936 gefunden und 1948 verlassen hatte, um vier Jahre später am Weihnachtsabend in Norderney zu sterben. Weil er Ostfriese war und zurück ans Meer wollte? Ich habe endlich den nie veröffentlichten Roman gelesen, den er in seinen letzten Lebensjahren beendet hat: „Und Hannibal war auch dabei.“  Es ist die Geschichte eines Malers, der in München zu Erfolg gekommen war und nun jenseits der Fünfzig nach Norddeich gegenüber Norderney in seine Heimat Ostfriesland reist, um das Meer zu malen.
Den Text habe ich inzwischen bearbeitet, bebildert und unter ‚Personal History‘ ‚Fremde Texte‘ auf meiner Homepage veröffentlicht.

Als ich 2014 nochmal von Südafrika nach Deutschland fliegen musste, habe ich eine Bahnreise von München nach Norddeich gebucht, um dieses nasse unbekannte Ostfriesland kennen zu lernen. Es war Ende Juli, warm, sonnig und die Nächte kurz. Durch Vermittlung des langjährigen Bürgermeisters Karl Welbers konnte ich auf Norderney die letzte überlebende Tochter des Malers Poppe Folkerts finden, der mit meinem Großvater befreundet war. In ihrem kleinen Garten fand ich den Grabstein meines Großvaters, den helfende Hände von Freunden dort abgestellt haben, nachdem meine Mutter von Hohenpeißenberg aus die Gebühr für die Grabstelle nach zehn Jahren nicht aufbringen konnte und diese daraufhin geräumt wurde. 

Zurückgekehrt in meine letzte Heimat am Südpol fällte ich die Entscheidung: Zurück in ein neue Heimat, der meiner Vorfahren zwischen Emden und Ammerland in Ostfriesland! Der Zielhafen meines Containers lautete Bremerhaven, Emirates brachte mich von Kapstadt über Dubai nach Amsterdam, wo ich ein Hotel nahe dem Rijksmuseum gebucht hatte. Ein paar Tage später fuhr ich über Land nach Neßmersiel nahe Norddeich, um die Landnahme vorzubereiten. 

Inzwischen habe ich nach einigen längeren Klinikaufenthalten und Kulturschocks zurückgefunden ins deutsche Alltagsleben und genieße es täglich, in dem für mich nun neuen Deutschland, in der Heimat meiner Vorfahren in Ostfriesland älter zu werden ohne mich vorm Tod, der mir mehrfach vorhergesagt wurde, weiter zu fürchten. Wenn ich an all meine Familienmitglieder, ArbeitskollegInnen, FreundeInnen und GefährtenInnen denke, die mich auf der anderen Seite erwarten erfüllt mich neben nagender Selbstbetrauerung auch so etwas wie Verantwortungsgefühl gegenüber den noch Lebenden, mit denen ich gemeinsame Erinnerungen teile, die außer mir nur noch wenige kennen. Zugleich merke ich an den Zahlen der Besucher, die mir auf sozialen Netzwerken wie Facebook, YouTube oder Soundcloud folgen, dass ein großes Interesse daran besteht an dieser Vergangenheit teil zu haben. Wenn das kein Grund ist, die Lebenserwartung zu erweitern – achtzig Jahre scheinen nicht mehr unerreichbar – bleibe ich hoffentlich weiter connected unter

burkhardt.huck@gmail.com

 

 

 

 

Every day a cyberday

 

The internet arrived in Germany summer 1994. Hence I build up a first network with own server capacity, everyday became a cyberday. By 1999 many expected a big bang caused by the Y2K computer bug
The expected black out didn’t happen and the net became more reliable step by step AND, it was free: free access, free traffic. The right athmospere for free business using the mighty tool, to create new products, connect producer and consumers.
This was the landscape when Simon and I made a business plan for an internet art gallery in 2000 and started up the following year. Many artists were happy to use our digital art gallery for free and a small fee if successful. After two years Cyberday Gallery counted the  viewers and clicks and revenue: It was not a sustainable businness project. Nevertheless, the gallery was online till 2012 but more as a cultural news platform than a gallery